Wer bin ich, 
und wenn ja, 
wie viele...

... heißt ein Buchtitel von Richard David Precht, der mich bewegt. Jeden Tag erlebe ich verschiedene Situationen und je nach Kontext verhalte ich mich unterschiedlich. Im beruflichen Kontext erscheine ich hoffentlich professionell und empathisch, als Freundin möchte ich treu und zuverlässig sein, als Tochter begegne ich meinen Eltern anders als meinem Patenkind und niemanden kann ich so gut ärgern wie meinen kleinen Bruder. 

Wir alle haben verschiedene Rollen und damit verbundene Verhaltensmuster. Manchen sind wir uns bewusst, anderen nicht. Manche können wir steuern, meistens reagieren wir aber automatisch, ohne die Situation wahrzunehmen, zu bewerten und bedacht zu handeln. Und manchmal fallen wir auch aus der Rolle und reagieren unangebracht. Dies ist uns im Nachhinein oft peinlich, z.B., wenn ich auf einen gut gemeinten Rat eines Arbeitskollegen sehr forsch oder beleidigt reagiere.

Im Coaching machen wir uns diese automatisierten Abläufe bewusst und hinterfragen und überprüfen sie. Warum reagiere ich so? Warum bringt mich dieser kleine Satz so auf die Palme? 

Wir schauen uns an, woran mich meine aktuelle Situation vielleicht erinnert. Wo habe ich das schon einmal so erlebt? Und ja, vielleicht liegt die Lösung dabei in der Aufarbeitung von Kindheitserfahrungen. Indem ich allein schon verstehe, dass mich mein Arbeitskollege so behandelt wie meine Großmutter früher, kann ich die Situation einordnen und anders damit umgehen. Ich schaffe neue Verknüpfungen in meinem Gehirn und kann deswegen vielleicht erwachsener reagieren. Im Coaching können neue Strategien entwickelt werden, wie ich bspw. mit Kritik umgehen kann ohne wütend zu werden. 

Wenn ich weiß, dass hier gerade nicht die erwachsene Sozialpädagogin reagiert, sondern die kleine sechsjährige Sarah, die es der Oma nie recht machen konnte und deshalb wütend wird, kann ich mich mit diesem "inneren Kind" (Transaktionsanalyse) beschäftigen; ihm sagen, dass es gut genug ist, dass sein Wert nicht von seiner Leistung abhängt, und dass nicht jede Rückmeldung in eigennütziger Absicht dargebracht wird. Dieses Verständnis von mir selbst führt dazu, dass ich in obiger Situation beim nächsten Mal meine aufkommende Wut wahrnehme, verstehe und diesmal anders bewerte. Ich atme durch, sage mir, dass der Kommentar gut gemeint ist und kann vielleicht mit einem "Danke für die Rückmeldung, kannst du mir genauer erklären, was du meinst?" reagieren. Nun kann ich wieder in meiner Rolle als erwachsene Arbeitskollegin handeln und nicht als getriggerte Sechsjährige.

Ab und zu geraten wir in Rollenkonflikte, klassischerweise in Familienunternehmen, wenn ich als Vorgesetzte disziplinarisch vorgehen muss, aber das Handeln meines Verwandten prinzipiell verstehen kann und vielleicht als Privatperson sogar gutheißen würde. Als Schwester eines behinderten Bruders bewerte ich die Situation anders, als wenn ich seine Situation als Sozialpädagogin betrachte . 

All diese Rollen gehören zu uns. Sie sind durch unsere Erfahrungen und Lebensumstände entstanden, sowie durch die Erwartungen, die an uns in diesen Rollen gestellt werden. Sie beschreiben Teile unserer Identität und doch bestimmen sie nicht im Ganzen, wer wir sind. 

Auch dies können wir im Coaching bearbeiten. Was gibt mir denn Wert? Wer bestimmt mein Leben? Die verschiedenen Erwartungen, die an mich gestellt werden? Das, was meine Familie von mir denkt? Von welchen Rollenbildern möchte ich mich lösen? Was für ein Freund möchte ich sein? Wie möchte ich Elternschaft leben? Welchen Einfluss haben Gesellschaft und Kultur auf mein Leben? Welche Werte sind mir wichtig und warum? Was möchte ich ablegen? Aus welchen Rollen bin ich herausgewachsen und in welche möchte ich vielleicht einmal schlüpfen? 

Auf diesem Weg gibt es so vieles über uns zu entdecken, was wir noch gar nicht wissen. Sei gespannt! 

 

Sarah Keim

Life und Business Coach

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